Gluck, Christoph Willibald - Ouvertüre zur Oper "Alceste"

Zur Ouvertüre

 Glucks Oper "Alceste" war mehr noch als seine "Orfeo ed Euridice" der Reform der Oper verschrieben. Beide führende Opernformen schienen sich ihm zu weit von dem entfremdet zu haben, was die Oper wirklich sein sollte. Sie schienen unnatürlich, die Gesänge der Opera seria auf vordergründige Effekte gerichtet, ihr Inhalt uninteressant und versteinert, die Sänger galten als unumschränkte Herrscher der Bühne und der Musik, die sie mit höchster Kehlfertigkeit auszierten und teilweise so stark veränderten, dass der Zuhörer die ursprüngliche Melodie nicht einmal mehr erahnen konnte. Der Opera buffa mangelte es seit geraumer Zeit an ursprünglicher Frische, sie hatte ihre Scherze verbraucht, man bekam stets die gleichen Personen als Karikaturen zu sehen. 

Gluck wollte die Oper wieder zu ihrem Ursprung bringen, eine Oper, in der menschliche Dramen, Leidenschaft, Schicksalsschläge und urmenschlichen Gefühle im Vordergrund stehen, und wo Musik und Wort gleichwertig waren, wenn nicht gar die Musik die dramatische Situation stützen oder untermalen sollte: "prima le parole, poi la musica". Eine Forderung dabei war, schon die Ouvertüre zum Bestandteil der Oper zu

 
machen, indem sie das Publikum auf das Kommende vorbereiten sollte. Mit der "Alceste"-Ouvetrüre gelang die Gluck zum ersten Mal. Gesetzt in der tragischen Tonart d-Moll und versehen mit zahlreichen Seuzermotiven, der fast ununterbrochenen depressiven Abwärtsbewegung, der schmerzvollen Dissonanzen und ihren Orgelpunkten galt die Ouvertüre lange Zeit als das Modell einer wahrhaft tragischen Ouvterüre. 

Im textlichen und musikalischen Mittelpunkt der Oper steht der Charakter der opferbereiten Hauptperson: Es ist durchaus möglich, daß die tapfere Haltung der um ihren 1765 gestorbenen Mann trauernden Kaiserin Maria Thereia den Ausschlag für Gluck gab, sich mit diesem alten Stoff zu beschäftigen. Die Alceste ist ein Beispiel für die typischen Tugendvorstellungen des 18. Jahrhunderts und ist wie später Beethovens Fidelio ein einziger Hymnus auf die Gattenliebe. Wie bereits beim Orfeo erlebte die Oper Alceste ihren bedeutenden Erfolg nicht bei der Uraufführung der sogenannten Wiener Fassung, die am 26. Dezember 1767 im Wiener Burgtheater stattfand, sondern erst neun Jahre später in Paris, als Tragédie-opéra nach einer Erweiterung um eine Ballettmusik in französischer Sprache (Operntext von Marie-François-Louis Grand-Leblanc du Roullet). Der wirkliche Durchbruch blieb der Oper jedoch versagt, was auch an der düsteren Stimmung liegen mag, die die Oper permanent umhüllt. Selbst heute noch ist Glucks Oper "Alceste" nur selten auf den Spielplänen von Opernhäusern zu finden. Zu unrecht: Hector Berlioz ließ die Oper zu einem wahren Gluck-Fan werden. Und es ist kein Zufall, dass Leopold Mozart dieses Werk „traurig“ fand, während es seinen erst elfjährigen Sohn Wolfgang tief beeindruckte.


Zur Handlung der Oper

1. Akt: Ein Herold kündet dem ängstlich vor dem Königspalast harrenden Volke, daß für den sterbenden Admet keine menschliche Hilfe mehr zu erhoffen sei. Im Verein mit der Königin Alceste und ihren beiden Söhnen fleht das Volk die Götter um Erbarmen an.

Verwandlung: Im Apollotempel beten und opfern die Königin und das Volk. Das Orakel verkündet: "Dem Styx ist Admetos geweiht, wenn ein andrer für ihn nicht zum Opfer sich beut." Das Volk flieht erschreckt, nur Alceste bleibt am Altar zurück; sie ist bereit, sich für den Gatten zu opfern. Der Oberpriester verkündet ihr, daß die Götter das Opfer annehmen.

2. Akt: Das Volk umringt jubelnd den genesenden König. Als er fragt, wer sich für ihn geopfert habe, rät man ihm, sich des Lebens zu freuen, ohne danach zu fragen. Doch bemerkt er, daß Alceste trotz aller Liebesseligkeit von einem geheimen Kummer bedrückt ist. Auf sein Drängen gesteht sie ihm ihr Geheimnis. Doch ohne sie will auch er nicht leben, er will versuchen, das Entsetzliche zu verhindern.

 
3. Akt: Vor dem Palast trauert das Volk über, das herbe Schicksal des Königshauses. Da kehrt Herakles nach langer Wanderschaft bei seinem Freunde Admet ein. Als man ihm das Los Alcestens berichtet, beschließt er, den Göttern zum Trotz ihnen die Königin zu entreißen.

Verwandlung: Vor den Pforten der Unterwelt ist Alceste bereit sich zu opfern. Die Todesgötter weisen sie zurück bis nach Sonnenuntergang. Admetos tritt hinzu und ist entschlossen, mit seiner Gattin. zu sterben. Während die beiden Gatten sich noch gegenseitig von ihren Entschlüssen abzubringen suchen, naht bei hereinbrechender Dunkelheit Thanatos und läßt Alceste entführen. Den nachstürzenden Admet hält Herakles zurück, der nun selber in die Unterwelt eindringt und in wildem Kampfe den Todesgöttern ihr Opfer entreißt. Apollo vereint aufs neue Alceste und Admetos, die von dem frohlockenden Volke umringt werden.


Zum Komponisten und seinem musikalischen Schaffen

Christoph Wilibald Ritter von Gluck wurde am 2. Juli 1714 auf der fürstlich Lobkowitzschen Herrschaft Weidenwang bei Neumarkt in der bayrischen Oberpfalz geboren, wo sein Vater Förster war. Über Prag, wo er u.a. Cello lernte, und Wien kam er durch Fürsorge des lombardischen Fürsten Melzi 1737 nach Mailand, wo er Unterricht durch Sammartini erhielt. 1741 brachte er hier seine erste Oper "Artaserse" mit Beifall zur Aufführung, der bis 1745 noch sechs andere folgten. Anschließend begab er sich auf Einladung des Lords Middlesex nach London, wo er die Oper "La caduta de' giganti" und andre ältere Werke zur Aufführung brachte, ohne jedoch einen nennenswerten Erfolg beim englischen Publikum zu erringen. Nach Deutschland zurückgekehrt, erhielt er eine Anstellung in der Kapelle zu Dresden, blieb dort aber nicht lange. Mit seiner Übersiedelung nach Wien, wo er 1748 sich dauernd niederließ, beginnt eine Wandlung seiner Kunstanschauungen, welche ihn allmählich von der im musikalischen Formalismus erstarrten italienischen Oper ab- und der dramatisch ungleich höher stehenden französischen Oper zuführte. Während seiner Wirksamkeit als Kapellmeister am Wiener Hofoperntheater (1754 bis 1764) hatte er reichliche Gelegenheit, die Mängel der zu jener Zeit in Deutschland ausschließlich herrschenden erstern kennen zu lernen und seine Reformpläne zur Reife zu bringen, was ihn übrigens nicht abhielt, während dieses Zeitraums noch eine Reihe von Opern für Italien zu schreiben, deren eine ihm in Rom die Ernennung zum "Ritter des goldenen Sporns" verschaffte. Erst mit der von Calzabigi gedichteten, 1762 in Wien aufgeführten Oper "Orfeo ed Euridice" verließ er die Bahn der italienischen Oper. Richtig verwirklich jedoch konnte Gluck seine reformerischen Ideen erst in seiner 1767 in Wien uraufgeführten Oper "Alceste".

Seine kunstreformatorischen Grundsätze hat Gluck selbst in dem dieser Oper vorausgeschickten Dedikationsschreiben an den Großherzog von Toscana ausführlich entwickelt. Er erklärte, den Mißbräuchen, welche durch die Eitelkeit der Sänger und die Nachgiebigkeit der Komponisten eingerissen waren, entgegentreten zu wollen; er wolle nicht den Gang der Handlung zur unpassenden Zeit durch ein Ritornell unterbrechen, nicht einer Passage oder Kadenz den Ausdruck opfern, nicht dem Herkommen zuliebe den zweiten Teil einer Arie vernachlässigen, wenn die Situation auf denselben allen Nachdruck zu legen gebiete, um nur die unbedeutenden Worte des ersten Teils viermal zu wiederholen und die Arie gegen den Sinn des Textes zu schließen; die Symphonie (Ouverture) solle dem Charakter des Dramas entsprechen und den Zuhörer auf dasselbe vorbereiten. Als Grundgesetz des dramatischen Gesanges galt es ihm, daß die Musik sich der Dichtung unterzuordnen habe und zu ihr in demselben Verhältnis stehen müsse wie bei einem Gemälde das Kolorit zur Zeichnung. Edle Einfachheit sei das Ziel, nach welchem er als Musiker strebe; er verschmähe alles Schwierige, wenn es der Klarheit schade, alles Neue, wenn es nicht aus der Situation mit Notwendigkeit hervorgehe, sogar die Beobachtung der Regeln, wenn dieselben das Streben des Komponisten nach dramatischer Wahrheit beschränkten. Die hier bezeichneten Neuerungen, wiewohl im wesentlichen nichts andres als eine Wiederherstellung des Musikdramas in seiner ursprünglichen Reinheit,

 
fanden bei dem künstlerisch noch völlig unselbständigen Publikum Deutschlands nur geringes Verständnis, von seiten der angesehensten Kritiker aber, namentlich Forkels in Göttingen und Agricolas in Berlin, heftige Opposition; und wenn auch einzelne erleuchtete Geister, wie Klopstack, Herder und Wieland, den Gluckschen Ansichten mit Begeisterung zustimmten, so mußte es dem Künstler doch unzweifelhaft sein, daß nicht sein Vaterland den zur Verwirklichung seiner Reform geeigneten Boden biete, sondern Paris, wo die große Oper bereits seit Lully eine der seinigen analoge Richtung verfolgte und überdies das Publikum für jeglichen Fortschritt auf dem Gebiet des Dramas eine außerordentliche Empfänglichkeit bewies.

Unter diesen Umständen zögerte Gluck nicht, als sich ihm durch Vermittelung Des Bailli du Roullets, eines Attachés der französischen Gesandtschaft in Wien, die Aussicht eröffnete, seine Opern in Paris zur Aufführung zu bringen. Er komponierte seine "Iphigénie en Aulide", wozu ihm Du Roullet nach Racines Tragödie selbst den Text gefertigt hatte, und begab sich im Herbst 1773 nach Befeitigung vieler Schwierigkeiten, wobei schließlich sogar der Einfluß der Dauphine Marie Antoinette (früher in Wien Glucks Schülerin) mitwirkte, nach Paris, um dieselbe einzustudieren. Die erste Aufführung dieses Werkes, bei dessen Komposition er rücksichtslos seinen Prinzipien gefolgt war, fand 14. Febr. 1774 statt. und erregte ein ungeheures Aufsehen. Alsbald teilte sich das Publikum der Großen Oper in zwei Parteien, die Gluckisten und die Anhänger der italienischen Oper, welche sich, nachdem man den Neapolitaner Piccini als Rival des deutschen Meisters nach Paris berufen, Piccinisten nannten, jene mit Suard, Abbé Arnaud, J. J. Rousseau, diese mit Marmontel, La Harpe, d'Alembert als Wortführern. Eine Reihe von Jahren, während deren Gluck noch den "Orfeo" und die "Alceste" in französischer Bearbeitung sowie (in Versailles 1775) die Opern: "L'arbre enchanté" u. "Cythère assiégée", endlich 1777 die "Armide" des Quinault zur Aufführung brachte, schwankte der Kampf; besonders hitzig wurde er 1778, wo Piccini mit seinem "Roland" einen glänzenden Triumph feierte. Erst 1779, wo Gluck mit seiner "Iphigénie en Tauride" (Text von Guillard) einen vollständigen Sieg über Piccinis gleichnamige Oper errang, war der Streit zu gunsten des deutschen Tonkünstlers entschieden. Glucks letzte Oper war die in demselben Jahr in Paris mit geringerm Erfolg aufgeführte "Écho et Narcisse" (Text von Tschudi); im folgenden Jahr kehrte er nach Wien zurück und lebte dort hochgeehrt bis zu seinem Tod, 15. Nov. 1787. An Kompositionen hinterließ er außer den erwähnten Opern noch eine Anzahl komischer Opern: "La fausse esclave", "Le cadi dupé", "L'arbre enchanté" u. a., die er in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit in Wien mit Benutzung von Texten der inzwischen in Paris zur Ausbildung gelangten Opera comique zum Zweck der Aufführung im engern Hofkreis geschrieben; ferner das Ballett "Don Juan" (1761) sowie für Kirche und Kammer den Bußpsalm "De profundis" und den 8. Psalm für Chor und Orchester, Lieder von Klopstock mit Klavierbegleitung und die unvollendete geistliche Kantate "Le jugement dernier".

Ulrich Witt


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